Hochheben und Handling

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Stand: 15.06.2023

Abstract
Hochheben und Handling bedeutet immer Stress für das Kaninchen. Es gilt also dafür zu sorgen, dass das Kaninchen möglichst wenig Stress hat. Kaninchen in Panik strampeln unkontrolliert umher, was oft dazu führt, dass es fallen gelassen wird. Die Folge sind schwere Verletzungen. Niemals darf ein Tier an einzelnen Körperteilen hochgehoben werden, das ist Tierquälerei. Es ist immer der ganze Körper zu stützen. Das Kaninchen sollte vor dem Hochheben von vorne angesprochen werden, damit es vorbereitet ist. Wenn es plötzlich ohne Vorwarnung angehoben wird, erschreckt es sich und es fühlt sich, als würde es von einem Raubvogel gepackt. In Panik, kann es einerseits zu heftigen Abwehrbewegungen mit Verletzungsfolge kommen und andererseits kann das Kaninchen durch plötzliches Herzversagen im Extremfall sogar versterben.

Es ist sehr wichtig, dass jede Person, die Kaninchen hält, sich bewusst macht, dass das Hochheben für Kaninchen grundsätzlich Stress bedeutet. Deshalb sollte man Kaninchen nur hochheben und tragen, wenn es wirklich notwendig ist, also zum Beispiel für einen Gang zum Tierarzt. Das richtige Hochnehmen fällt vielen Kaninchenhaltern schwer. Wenn ein Kaninchen falsch hochgenommen und getragen oder sogar aus Versehen fallen gelassen wird, kann es sich schwer verletzen. Daher spielt die richtige Technik eine große Rolle im Umgang mit Kaninchen. Bevor man ein Kaninchen hochnimmt, bereitet man es am besten ein wenig vor, d. h. man lässt es an der Hand schnuppern, spricht es dazu leise und mit ruhiger Stimme an und streicht dem Kaninchen sanft über den Rücken. Dann kann das Kaninchen hochgenommen werden.

Achtung: Niemals darf ein Kaninchen einfach plötzlich ohne Vorbereitung von oben gegriffen werden, denn dies gibt einem Kaninchen das Gefühl, von einem Raubvogel gepackt zu werden (Raubvogelgriff), somit verfällt das Kaninchen in Panik. Selbstverständlich darf man Kaninchen niemals an den Ohren hochnehmen, dies ist Tierquälerei, da es starke Schmerzen verursacht. 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man ein Kaninchen hochheben kann. Grundsätzlich gilt, dass immer das ganze Tier gestützt werden muss und nicht nur Körperteile:

• Für eine Variante ergreift man das lose Rückenfell in Höhe der Schulterblätter (keinesfalls kneifen!) mit der einen Hand, mit der anderen Hand wird sofort das Hinterteil abgestützt, sodass das Tier regelrecht in der Hand ‚sitzt‘. Das Tier darf keinesfalls auch nur einen Moment frei in der Luft hängen. Bitte beachte, dass es ebenfalls Autoren gibt, die das Hochnehmen am Nackenfell gänzlich ablehnen und dies nur zur Fixierung am sitzenden Kaninchen bei Notsituationen anwenden.

• Eine weitere Möglichkeit zum Hochheben ist es, wenn man das Kaninchen von unten und seitlich kommend vorne leicht anhebt (Hinterbeine haben zu dem Zeitpunkt noch Kontakt zum Boden) und dann von hinten mit der anderen Hand das Hinterteil hochhebt und fixiert (siehe Foto 1). Beachte, dass es bei der vorderen Hand sinnvoll ist den Zeigefinder zwischen die Vorderbeine zu legen, damit man die Beine nicht aus Versehen zu fest zusammendrückt. Es hängt tatsächlich mitunter von der Größe der Hand und des Kaninchens ab, ob man eher die Beine fixieren muss oder Beine und einen Teil des Körpers „tellerartig“ umfassen kann. Zu keinem Zeitpunkt darf das Kaninchen in seiner Atmung behindert werden. Druck auf den Brustkorb ist zu vermeiden. Diese Form des Hochnehmens erfordert etwas Übung, ist aber für viele Kaninchen angenehmer als die erste Methode.

(Foto 1)

• Sehr junge Kaninchen, die also noch wesentlich kleiner sind als erwachsene Tiere, kann man vorsichtig mit beiden Händen von der Seite umschließen, sodass das Jungtier in einer „Mulde“ sitzt, dann kann man das Tier hochnehmen. Allerdings ist dabei darauf zu achten, dass das Kaninchen nicht wegspringen und herunterfallen kann.

Auch beim Tragen von Kaninchen kommt es auf sichere Varianten an:

• Wer Probleme mit dem Tragen hat, kann das Tier zum Beispiel in einer Transportbox sicher tragen.

• Zum Tragen kann man das Tier zum Beispiel auf den angewinkelten Unterarm setzten. Zur Sicherheit wird die rechte Hand auf den Nacken des Kaninchens gelegt, so kann man es notfalls sofort greifen, falls es zu zappeln beginnt. Dabei ist es eine sehr sichere Variante die Hinterbeine nach unten „hängen“ zu lassen und dabei aber das Hinterteil mit dem Arm am Körper zu fixieren. Denn so kann das Kaninchen keine Kraft mit den Hinterbeinen aufbauen, um sich weg zu stoßen. Die Vorderbeine werden durch die Hand desselben Armes gehalten und zwar wieder so, dass der Zeigefinger zwischen die Vorderbeine kommt. (siehe Foto 2)

(Foto 2)

• Eine andere Methode ist es, das Kaninchen so auf dem Unterarm sitzen zu lassen, dass es den Kopf unter dem Ellbogen verstecken kann.

• Zum Anschauen des Anogenitalbereiches gibt es eine sichere Methode, die man zu zweit anwenden kann. Einer hält das Kaninchen im Brustbereich mit Fixierung der Vorderbeine (Zeigefinger zwischen den Vorderbeinen) am eigenen Oberkörper und mit der anderen Hand wird das Hinterteil am eigenen Körper der haltenden Person stabilisiert. Die zweite Person kann sich dann das Kaninchen ganz genau anschauen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man die Hand hält. Bei sehr zappelnden Kaninchen birgt das geringste Verletzungsrisiko nicht die Beine selber, sondern das Becken des Tieres am Körper des Untersuchers zu fixieren (also zwischen den Beinen durchzugreifen), denn die Wirbelsäule ist am Körper des Untersuchers fixiert. Mit den Beinen kann das Kaninchen dann zwar strampeln, aber es kann in sich in der Luft nicht abstoßen. Der Knackpunk, die Wirbelsäule, ist stabilisiert. (siehe Foto 3)

(Foto 3)

Man kann sich sehr gut die Eigenschaft von Kaninchen zu Nutze machen, dass sie gerne in Höhlen Unterschlupf suchen. Vielleicht geht dein Kaninchen ja freiwillig in die Transportbox. Man kann es antrainieren. Außerdem ist es manchmal hilfreich, falls das Kaninchen Aversionen gegen die Transportbox hat, vor den Eingang einen Tunnel zu platzieren. Dein Kaninchen wird dann stressfrei in die Transportbox geleitet. So muss man das Kaninchen gar nicht anfassen und es ist eine sehr sichere Methode.

Allerdings ist es natürlich unabdingbar, dass man sein Kaninchen handeln muss, um die Gesundheit zu kontrollieren und, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen durchzuführen (z.B. Medikamente eingeben, Zufüttern, Wunden kontrollieren etc.). Das Kaninchen sollte von Anfang an schonend, langsam und mit Assoziation an gute Erfahrungen daran gewöhnt werden.

Hilfreich kann es sein, wenn man Medikamente eingeben muss oder den Kopf untersuchen möchte, das Kaninchen in ein Handtuch einzuwickeln, sodass nur noch der Kopf rausguckt. Die Gliedmaßen und der Rücken sind fixiert (siehe Foto 4, die Ohren dürfen anders als auf dem Foto natürlich herausgucken)

(Foto 4)

Eine weitere Hilfestellung ist es (vor allem, wenn es gerade nicht um den Kopf geht) sich eines Tricks zu bedienen, der bei vielen Tierarten nicht zuletzt in der Wildtiermedizin Anwendung findet: Die Augen des Tieres zuhalten, bzw. ein luftdurchlässiges Tuch darüberlegen. Dies beruhigt das Tier ein wenig und es weiß nicht, wo es hin flüchten kann, sodass die Tiere oft etwas ruhiger werden.

Versuch dir beim Handling von deinem Kaninchen vor Augen zu führen, dass dein Kaninchen nicht weiß, was du mit ihm vorhast. Es wird von einem „Riesen“ hochgehoben, angefasst und hat keine Kontrolle darüber, was passiert. Versetz dich in seine Lage, dann gelingt es leichter Lösungen zu finden, die es deinem Kaninchen etwas angenehmer machen. Kaninchen profitieren z. B. davon, dass Partnertiere mit zum Tierarzt genommen werden und sie sich in dieser stressigen Situation aneinander kuscheln können.

Beachte bitte unbedingt, dass es viele Kaninchen gibt, die diese Maßnahmen scheinbar ruhig über sich ergehen lassen. Vielen dieser Tiere ist jedoch Angst und Panik ins Gesicht geschrieben. Sie fallen also in einen „Freeze – Zustand“. Das macht es zwar für uns Menschen einfacher, für das Kaninchen ist es aber hochgradig stressig.

Anders ist es bei den Kaninchen, die sich für „flight“ entscheiden. Diese Kaninchen haben ebenfalls hochgradig Stress. Allerdings besteht hier zusätzlich ein deutliches Verletzungsrisiko. Wenn das Kaninchen runterfällt oder falsch festgehalten wird, sind leider neben anderen Verletzungen sehr oft Knochenbrüche die Folge. Die Versorgung von Knochenbrüchen ist abgesehen vom erheblichen Leiden der Tiere einerseits tierärztlich sehr anspruchsvoll (kleine, dünne und spröde Knochen) und andererseits kostenintensiv (mit 1000 € plus Nachbehandlung und Kontrollen ist zu rechnen). Die Kaninchen bekommen nicht selten einen Fixateur externe (also Metallstäbe, die nach außen reichen und außen fixiert werden), was eine besondere Pflege durch den Tierhalter bedeutet. Das heißt wieder Handling und wieder Stress für das Kaninchen. Leider müssen nicht wenige Tiere aufgrund von Brüchen eingeschläfert werden.

Die Aufgabe des Tierhalters ist es also, ein sicheres Tierhandling zu üben und gerade Kinder beim Handling nicht alleine zu lassen. Natürlich können Unfälle auch bei größter Vorsicht passieren.

Nicht zuletzt ist auch das vorsichtige Absetzen des Tieres von Bedeutung. Unkontrolliertes Abspringen kann zu Rücken- und Gelenkschäden führen. Lass dir doch bei Gelegenheit von einem erfahrenen Kaninchenhalter genau zeigen, wie man Kaninchen richtig hochnimmt und wieder absetzt, sodass du darin sicher wirst.

Schließlich kann es manchmal sehr nervenaufreibend sein, wenn man Kaninchen aus einem größeren Zimmer oder gar aus dem Garten einfangen möchte. Es bringt gar nichts, wenn du deinem Kaninchen ziellos hinterherrennst. Ein gesundes Kaninchen wird immer schneller und flinker sein als du. Außerdem bekommt das Kaninchen große Angst. Mach dir also vorher Gedanken, wie du vorgehst z. B. kannst du dir mit Gitterelementen eine Sackgasse bauen, dir Tunnel und/oder die Transportbox zur Hilfe nehmen und das Kaninchen ruhig dorthinein leiten. Kaninchen lernen schnell. Wenn du es regelmäßig machst und sie mit Leckerlies dorthin lockst, werden sie vielleicht ganz ohne Stress und freiwillig dorthin hoppeln, wo du es möchtest. Natürlich gibt es auch unter den Kaninchen pfiffige Kandidaten, die deinen Trick schnell durchschauen. Wenn sie lieber weiter im Freilauf bleiben möchten, musst du deine Konstruktion regelmäßig abändern.

Stand: 15.06.2023